Countdown zur Rettung der Banken, Relativität der Zeit

Die Autoren J. Dams, F. Eder und T. Kaiser schreiben am 09.10.2011 in welt.de

Der Politik bleiben nur wenige Tage, um Europas Banken vor dem Zusammenbruch zu bewahren. Mit Hochdruck suchen Regierungschefs nach Lösungen.

Drei Jahre nach dem Zusammenbruch der US-Investmenbank Lehman Brothers schlägt die Finanzkrise wieder zu. Stand damals schon die Zukunft des internationalen Finanzsystems und damit der gesamten Weltwirtschaft auf der Kippe, ist die Lage heute nach Einschätzung vieler Experten noch gefährlicher als im Herbst 2008.

Frankfurter Banken-Skyline
Foto: picture-alliance / Frank Rumpenh Frankfurter Banken-Skyline: Schwere Zeiten für die Geldinstitute

Wenn die Politik nicht in der Lage sei, die Finanzkrise auf eine glaubwürdige Art anzugehen, „dann werden wir, so denke ich, vielleicht innerhalb von zwei bis drei Wochen einen Zusammenbruch bei den Staatsschulden haben, was im gesamten europäischen Bankensystem zu einer Kernschmelze führen wird“, warnt Robert Shapiro, ein Berater des Internationalen Währungsfonds (IWF).

Den meisten Regierungschefs der Euro-Zone ist die Brisanz der Lage mittlerweile bewusst. Am Sonntag wird Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy daher bei Angela Merkel im Bundeskanzleramt erwartet. Die beiden suchen nach einem Weg aus dem Dilemma. Die Zeit drängt. Daher werden sie noch am Abend verkünden müssen, wie es weitergehen soll. Die Börsen erwarten einen Lichtblick, sonst dürfte es am Montag neue Verwerfungen an den Märkten geben

Politikern ist die Brisanz der Lage bewusst

Bis vor wenigen Tagen lagen Sarkozy und Merkel in wichtigen Streitpunkten allerdings weit auseinander: Deutschland will eine Umschuldung Griechenlands, Frankreich lehnte sie ab. Paris fordert, dass der Rettungsfonds EFSF zur Refinanzierung angeschlagener Staaten und Banken der Euro-Zone Zugriff auf Gelder der Europäischen Zentralbank (EZB) haben soll; Berlin ist bislang strikt dagegen.

Video

  • Für Video dazu, auf das Bild klicken bitte.
Merkel würde Banken mit Milliarden unterstützen

Merkel will die europäischen Verträge früher als erst in drei Jahren ändern, um größere Durchgriffsrechte bei den Schuldensündern zu haben. Das soll für die gesamte EU gelten. Sarkozy aber will das auf die Euro-Zone begrenzen.

Inzwischen zeichnet sich nach Informationen der „Welt am Sonntag“ zumindest bei einigen Knackpunkten eine Einigung ab: Im Gegenzug für eine Schuldenschnitt für Griechenland soll Deutschland bereit sein, den Franzosen beim Rettungsfonds nachzugeben.

Das könnte zur Folge haben, dass französische Banken, die eine Umschuldung Griechenlands nicht verkraften, im Notfall über den EFSF und damit auch mit deutschen Steuergeldern gestützt werden. Spätestens bis zum Treffen des Europäischen Rats am 17. und 18. Oktober solle zudem der Beschluss über die Rekapitalisierung der Banken stehen, heißt es.

Banken bunkern Geld bei der EZB

Eile ist geboten. Denn eine Reihe großer europäischer Geldhäuser würde Kapital brauchen, um Verluste infolge eines Schuldenschnitts in Athen abzufedern. Am Kapitalmarkt bekommen viele Institute kein Geld mehr: Nicht nur US-Banken, sondern auch europäische Häuser weigern sich immer häufiger, mit ihren Konkurrenten noch Geschäfte zu machen. Sie fürchten den Verlust ihres Geldes, sollte der Geschäftspartner zusammenbrechen. Anstatt ihr Geld höher verzinst in Transaktionen mit der Konkurrenz zu investieren, tragen die Banken ihre Euro über Nacht lieber zur EZB. Mitte der Woche lag die Summe der Einlagen bei der Notenbank schon bei mehr als 210 Milliarden Euro.

Längst geht man in der Bundesregierung davon aus, dass diese Turbulenzen Folgen für die Realwirtschaft haben werden. „Noch stehen wir ganz gut da, aber das wird nicht so bleiben“, heißt es in Regierungskreisen.


Es gibt zwei Euro-Rettungsschirme – den modifizierten vorläufigen Mechanismus EFSF und seinen dauerhaften Nachfolger ESM, der Mitte 2013 in Kraft tritt.

Deutsche Banken haben im europäischen Ausland schon ihre Kredite reduziert. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis diese Entwicklung auch im Inland beginnt. Dann kommen hiesige Firmen in die Bredouille. Sie werden weniger investieren und womöglich sogar Arbeitsplätze abbauen. In einem international schwierigen Umfeld mit einer schwachen Konjunktur in den USA könnte die europäische Schuldenkrise Auslöser für eine weltweite Rezession sein.

Anders aber als 2008 sind es dieses Mal eben nicht die Banken, die sich mit undurchschaubaren Finanzprodukten verzockt haben. Das Problem der Geldhäuser sind heute europäische Staatsanleihen. Jahrelang galten die Bonds als so risikoarm, dass die Banken für sie nicht einmal Eigenkapital als Risikopuffer vorhalten mussten. Seit Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Italien wackeln, ist deutlich geworden, dass diese Regelung ein Fehler war.

Ratingagenturen zeigen Dramatik der Lage

Nun stecken alle in der Zwickmühle. Die Banken geraten unter Druck, weil sie die Anleihen maroder Euro-Staaten halten. Eigentlich müssten ihnen diese Länder nun wiederum helfen. Doch dafür fehlt der Politik das Geld. „Wir stecken mitten in einer ausgewachsenen Bankenkrise“, sagt Maurice Obstfeld, Professor an der Universität von Kalifornien in Berkeley deshalb der „Welt am Sonntag“.

Wie dramatisch die Lage ist, zeigen neue Botschaften der Ratingagenturen. Mit Fitch hat auch der letzte der drei großen Bonitätsprüfer die Kreditwürdigkeit Spaniens und Italiens herabgestuft. Das bedeutet: höhere Zinslasten für neue Kredite und damit noch größere Lasten für beide Länder. Als wäre das nicht schlimm genug, gerät nun auch Belgien in den Fokus der Agenturen. Moody’s droht dem Land mit der Herabstufung. Der Grund: Belgien muss seine Banken vielleicht stützen und kann sich das eigentlich kaum leisten.

Als größtes Land Europas ist Deutschland daher nach Ansicht von Weltbank-Präsident Robert Zoellick jetzt gefordert. „Als vor gut 20 Jahren der Ostblick zusammenbrach, entwickelte Bundeskanzler Helmut Kohl eine Vision, wie sich die Dinge entwickeln könnten“, sagte Zoellick „Der Wirtschaftswoche“. „So etwas fehlt jetzt völlig, und je länger dies andauert, desto mehr Geld kostet es und desto weniger Handlungsoptionen wird es geben.“

Die Bankenkrise ist dafür ein beredtes Beispiel. Lange hat die Politik das Problem vor sich her geschoben. Jetzt aber führt kein Weg an zügigen Hilfen in ganz Europa vorbei. „Die öffentliche Hand sollte einen größtmöglichen Teil des Risikos tragen, um die Stabilität des Finanzsystems nicht weiter zu gefährden“, sagte Princeton-Professor Eric Maskin.

Jenen Staaten aber, denen das Geld dafür fehlt, wird der Rest Europas helfen müssen, mit milliardenschweren Folgen für Deutschlands Steuerzahler. Die Alternative dazu aber wäre ein Szenario, dass kaum ein Politiker in Regierungsverantwortung riskieren will: der Zusammenbruch des Weltfinanzsystems. Angela Merkel hat das bei ihrem Treffen mit Sarkozy sicher vor Augen.

http://www.welt.de/wirtschaft/article13649035/Der-Countdown-zur-Rettung-der-Banken-laeuft.html